> Friedhofskultur
Friedhof der Namenlosen
feuerlibelle, Montag, 13. Juli 2015, 01:43
Beim Alberner Hafen, wo das Auwald- und Wiesengebiet an den Hafen grenzt.



Durch einen Wasserwirbel am Stromkilometer 1.918 wurden früher die Leichen der in der Donau Ertrunkenen regelmäßig im Bereich des heutigen Alberner Hafens angeschwemmt. 1854 wurde deshalb hier ein kleiner Friedhof angelegt, der die nicht identifizierbaren Wasserleichen aufnehmen sollte.



Ein einsames Kreuz jenseits der Schienen markiert heute die Stelle, an der sich der erste Friedhof der Namenlose bis zum Jahr 1900 befand und in dem insgesamt 478 Tote bestattet wurden.
Nachdem der Friedhof aber selbst immer wieder überschwemmt wurde, legte man im Jahr 1900 auf Initiative des Simmeringer Bezirksvorstehers Albin Hirsch eine neue Grabstätte jenseits des Dammes an.



Dieser heutige Friedhof der Namenlosen wurde von 1900 bis 1940 belegt und nahm insgesamt 104 Personen auf – 43 davon konnten nachträglich identifiziert werden. Seit dem Bau des Hafens im Jahr 1939 gibt die Donau seine Toten an dieser Stelle nicht mehr her.



Die kleine Auferstehungskapelle neben dem Friedhof wurde 1935 zur Erinnerung an die Erhöhung des Hochwasserschutzdammes errichtet.



Bei den meisten Toten handelt es sich um Suizide und Verunglückte, darunter auch etliche ausländische Seeleute.



Die Gräber sind betont schlicht und zumeist nur von schmiedeeisernen Kreuzen geziert. Einige Kreuze tragen Namensschilder, ganz wenige Gräber besitzen einen Stein. Die Stimmung auf diesem Friedhof ist sehr traurig und doch voller Frieden – vor allem zu Allerseelen, wenn der kleine Friedhof von einem Meer gespendeter Blumen überschwemmt wird und gegen Abend mit Lichtern versehene Kränze auf der Donau ausgesetzt werden.





Mehr als sechzig Jahre lang hat der frühere Totengräber Josef Fuchs den Friedhof gepflegt und betreut. Heute setzt sein Sohn Josef Fuchs jr. dieses Werk fort.



Heute befindet sich der Friedhof der Namenlosen in der Obhut der Hafengesellschaft und der Gemeinde Wien.
Quelle:Wiener Friedhofsführer

Kommentieren



wuhei, Montag, 13. Juli 2015, 10:42
Liebe,
hab vielen Dank!
Ich war mehrere Male dort und hab ein paar Blumen mitgebracht. Und jedes Mal hat mich die Stimmung dort mehr berührt als auf irgendeinem anderen Friedhof. Ich muss immer an die Hinterbliebenen denken, die nicht wissen, wo ihre vermißten Angehörigen sind.
Liebe Grüße, Iris

Sehr gerne, liebe Iris. Nicht von ungefähr nennt man ihn als den traurigsten Friedhof Wiens und ich kann jedem wirklich von Herzen empfehlen, den Ort –vielleicht in Verbidung mit einem ausgedehnten Herbstspaziergang durch die Auwänder entlang der Donau, aufzusuchen und ein paar Minuten dort innehalten...
Kommentieren
 

feuerlibelle, Montag, 13. Juli 2015, 12:38
Den Opfern der Donau und den Toten auf dem Friedhof der Namenlosen wird jedes Jahr gedacht. Am Nachmittag des ersten Sonntags nach Allerheiligen versammeln sich die Mitglieder des Fischervereins Albern, um ein von ihnen gebautes Floß, geschmückt mit Kränzen, Blumen und brennenden Kerzen, zu Wasser zu lassen. Auf dem Floß befindet sich ein symbolischer Grabstein mit der Inschrift "Den Opfern der Donau" und der in den Sprachen Deutsch, Tschechisch und Ungarisch verfassten Bitte, das Floß, wenn es am Ufer hängen bleiben sollte, einfach weiterzustoßen.



Der Prozessionszug zieht dann zum Ufer der Donau hinunter, begleitet von einer Musikkapelle. Mit einer Holzzille bringen die Fischer das Floß in die Mitte des Stroms, um es zum Gedenken an die anonymen Opfer des Donaustroms den Fluten zu übergeben. Manche dieser Flöße sollen sehr weit getrieben sein, bis sie sich auflösten. So gesehen birgt also auch der 'traurigste' Friedhof Wiens etwas Tröstliches.



Und je mehr Wasser die Donau hinunterrinnt, desto mehr Geschichten ranken sich um den Friedhof der Namenlosen, desto größer scheint das Bedürfnis, ihn nicht der Vergessenheit fallen zu lassen.

Für Interessierte: Die Gedenkfeier 2015 findet am 8.November, um 13,30 Uhr statt.
Kommentieren
 

feuerlibelle, Montag, 13. Juli 2015, 20:30
Es ist noch gar nicht so lange her – Mai/Juni 2013: Eine biblische Sintflut nördlich des Alpenhauptkamms. Das Adria-Tief Frederik und sein Anhang bringen Starkregen mit Hochwasser und verwüsten weite Teile Österreichs.


Auch den Friedhof der Namenlosen hat es leider voll erwischt
Kommentieren
 

sturmfrau, Montag, 13. Juli 2015, 21:20
Ich habe mal einen Bericht im Fernsehen darüber gesehen, aber so, wie sie es erzählen, macht es richtig Gänsehaut.

Sie haben den besonderen Blick auf diese Dinge. Danke dafür!

Es ist eine Besonderheit, dass dieser mystische und schöne Ort noch zugänglich ist und ich bewundere alle ehrenamtliche Personen, die einen beachtlichen Teil ihrer Freizeit zur Erhaltung dieser Ruhestätte zur Verfügung stellen. Es ist weniger der besondere Blick auf die Dinge, vielmehr die Friedhofsgeschichten der Zeit lassen mich in Leidenschaft aufgehen....
Kommentieren
 

feuerlibelle, Montag, 13. Juli 2015, 23:16
Der kleine Friedhof bietet eine einzigartige Atmosphäre, in der Raum und Zeit ineinander fließen. Ein mystischer Ort, den selbst in Wien nur wenige kennen.


Kommentieren
 

feuerlibelle, Montag, 13. Juli 2015, 23:50
"Alle die sich hier gesellen
Trieb Verzweiflung in der Wellen
Kalten Schoß"



Vielen Dank für diesen Post, liebe Frau Feuerlibelle. Beim nächsten Wienbesuch werde ich diesen Friedhof aufsuchen. Der ist wirklich etwas Besonderes.

Ja, wir begleiten Sie gerne dorthin und damit bieten wir uns gleich als Taxifahrer an. Der Alberner Hafen ist schon ziemlich weit draußen am Stadtrand.

Da freue ich mich drauf!
Kommentieren